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Beschichtete oder nicht-beschichtete Stents?

Aus meinem NEWS Archiv:

Koronarstents sind kleine, metallene Röhrchen, aus Drahtgeflecht oder gefrästen Metallzylindern, ca. 1 bis 4 cm lang, und 2,0 bist 6,0 mm Durchmesser, die zur Behandlyung von Verschlüssen und Verengungen in den Herzkranzgefäßen als Gefäßstütze verwendet werden.

Durch einen Zugang in der Leiste oder im Handgelenk des Patienten, wird über ein Blutgefäß eine Aufweitung der Verengung mittels Ballon durchgeführt. Danach oder gleichzeitig wird der Stent dauerhaft, wieder mittels Ballonkatheter, in dem entsprechenden Gefäßabschnitt platziert, aufgedehnt und somit fixiert.
Der Stent soll – bei einem frisch aufgeweiteten Gefäß – eine zusätzliche Sicherheit gegen Komplikationen wie akutem Verschluss z.B. durch kleine Einrisse oder vor erneuter Gefäßverengung bieten.

Insbesondere in den Anfangszeiten der Stent-Entwicklung wurde diese Technik durch das Auftreten einer frühen Instent-Thrombose (Bildung eines Thrombus im implantierten Stent) in ihrer Wirkung massiv eingeschränkt. Dank Einsatz von neuen Implantationstechniken (Hochdruckballoninflationen) sowie thrombozytenaggregationshemmender Therapie konnten aber auch diese Nebenwirkungen größtenteils eingeschränkt werden.
Etwa zur gleichen Zeit implantierten Sigwart 1986 in der Schweiz und Puel 1986 in Frankreich die ersten Koronarstents. Nur wenig später folgten 1987 Schatz und Roubin in den USA. Obwohl mehrere Studien, die Ballone und Stents miteinander verglichen hatten, eindeutig bessere Langzeitergebnisse der gestenteten Gefäße belegen konnten, blieb das Problem der späteren Wiederverengung (Rezidivstenose) ungelöst. Neue Techniken (Rotablation, direktionale Arterektomie, Laser, radioaktive Bestrahlung etc.) wurden entwickelt und eingesetzt, wobei leider keine zum letztlich gewünschten Erfolg führte.
Die überschüssige Gewebebildung (neointimale Hyperplasie) ist bekanntlich der Grund für die späte Stent-Restenose.

Dank der Entwicklung von medikamentenbeschichteten Stents, den Drug Eluting Stents, begann vor ca. fünf bis sieben Jahren eine neue Ära in der interventionellen Kardiologie. Diese revolutionären Stents sind vergleichbar mit den bisher angewendeten Stents, bei denen die «metallstruts» des Stent mit einem zytostatischen Medikament beschichtet sind. Dieses wird kontinuierlich über mehrere Wochen freigesetzt und führt zu einer nahezu kompletten Hemmung der neointimalen Hyperplasie. Die ersten Vergleichsdaten der medikamentös beschichteten und nicht-beschichteten Stents weisen einen klaren Vorteil zugunsten der Erstgenannten auf, so dass in den Folgejahren insbesondere in den Vereinigten Staaten, aber auch in Europa, praktisch nur noch solche Stents verwendet wurden.

1. ParadigmenwechselRennaissance der nicht-beschichteten Stents
Im Frühjahr und Herbst 2006 wurden dann Daten bzgl. höherer akuter Verschlussraten, bis hin zu erhöhten Krebs- und Selbstmordraten der beschichteten Stents auf den amerikanischen und europäischen Kongressen vorgestellt. Die nicht-beschichteten Stents erlebten daraufhin einen neuen Boom.
Erhöhte Krebs- und Selbstmordraten konnten jedoch bald aufgrund eines fehlerhaften Studiendesign, und damit statistischen Fehlers, ausgeschlossen werden. Sorgen machten jedoch weiterhin die angeblich erhöhten Wiederverschlussraten, bestätigt durch das SCAAR-Register Anfang 2007, da ein akuter Gefäßverschluss nicht nur eine statistische Komplikation darstellt sondern oft zum akuten Herzinfarkt bis hin zum Tod führt.

2. Paradigmenwechsel Rehabilitation der beschichteten Stents
Im Herbst 2007 wurden dann jedoch gleichzeitig in Europa und den U.S.A. mehrere große Register vorgestellt, die belegten, dass beschichtete Stents auf die gesamte Dauer der Implantation doch geringere Verschlussraten aufweisen als nicht-beschichtete Stents. Schließlich wurde dies auch noch durch eine Reanalyse der SCAAR-Registerdaten, diesmal mit der doppelten Patientenzahl, bestätigt. Lediglich bei den kritischsten Herzinfarkten mit ST-Hebungen besteht noch eine gewisse Unsicherheit.
Es fällt in diesem Zusammenhang auf, dass durch die deutlich verbesserte medikamentöse Therapie, als auch verbesserte Implantationstechniken bei den Stents, die Wiederverschlussraten bei beiden Stents, den beschichteten, als auch den nicht-beschichteten, abgenommen haben. Ein wirklich bedeutsamer Unterschied scheint heute nur noch bei kleineren Gefäßen oder längeren Gefäßverschlüssen zu existieren.
Die bisher einzigen bekannten Schattenseiten der Drug Eluting Stents sind einerseits die leider in einigen Fällen äußerst spät aufgetretenen Instent-Thrombosen sowie andererseits der doch sehr hohe Preis dieser Stents. Dem steht aber der nicht unbeachtliche Vorteil gegenüber, dass nach Implantation dieser Stents doch deutlich weniger oft spätere Rezidivstenosen auftreten und somit auch weniger Reinterventionen (PTCA oder Bypass-Operationen) durchgeführt werden müssen. Die höheren Stent-Kosten können dadurch doch weitgehend wettgemacht werden.

Neue Generationen von Stents
Gegenwärtig weisen leider die neuesten Publikationen darauf hin, dass trotz langer Therapie mit Clopidogrel und Aspirin ein größerer Teil der initial gewonnenen Vorteile durch Drug Eluting Stents im Spätverlauf verloren gingen, da bis zu vier Prozent der Patienten einige Monate nach Implantation eine Instent-Thrombose entwickeln würden. Das Problem der Instent-Thrombose bei nicht-beschichteten Stents kommt aber praktisch nur in den ersten paar Wochen nach der Implantation vor. Es braucht daher keine lange duale Antiaggregationstherapie. Das Risiko der Drug Eluting Stents besteht hingegen darin, dass sie die «Heilung» der Arterie vermindern oder sogar ganz vermeiden. Ein anderer zu erwähnender Nachteil ist, dass bei einer Implantation von Drug Eluting Stents vor allem bei älteren Patienten, die an einer koronaren Herzkrankheit leiden, häufig eine spätere nichtkardiale chirurgische Operation vorgenommen werden muss. Da solche Operationen nicht oder nur schlecht unter der dualen thrombozytenaggregationshemmenden Therapie erfolgen können, muss Clopidogrel häufig präoperativ abgesetzt werden. Dies ist erfahrungsgemäß ein zusätzlicher Risikofaktor für das Vorkommen einer späten Instent-Thrombose bei Drug Eluting Stents. Zur Lösung dieses doch erheblichen Problems sind verschiedenste wissenschaftliche und industrielle Bemühungen im Gange, um neue Generationen von Stents zu entwickeln. Sollten die Langzeitresultate der so genannten Zweit- und Drittgenerationen der Drug Eluting Stents aufzeigen, dass das Risiko einer späten Stent-Thrombose verringert werden kann, würde diese Technologie wohl zu einer weiteren erfolgreichen Revolution in der Geschichte der interventionellen Kardiologie führen.

Dr. Christopher Wolf
1. Medizinische Abteilung, Leiter des Herzkatheterlabors, SMZ-Ost, Wien
chrisjwolf@hotmail.com

FEEDBACK ZU DEN FRAGEN DES AUTORS

Wie lange sollten Aspirin und Plavix bei beschichteten, bzw. nicht-beschichteten Stents idealerweise gegeben werden und aufgrund welcher Evidenz?

O. Univ.-Prof. Dr. Otmar Pachinger, Leiter der Klinischen Abteilung für Kardiologie Universitätsklinik III – KARDIOLOGIE, Medizinische Universität Innsbruck: Bei den nicht-beschichteten Stents war bisher die duale Antiplättchen-Therapie (Aspirin und Plavix) über einige Wochen erforderlich; bei den beschichteten Stents ist aufgrund der späten Stent-Thrombose-Ereignisse eine längere duale Antiplättchen-Therapie erforderlich, welche derzeit aufgrund aller vorliegenden Register- und randomisierten Daten mit zwölf Monaten angesetzt wird.
Dies sind Empfehlungen ohne wirkliche prospektiv randomisierte Daten und es kann natürlich auch die Frage gestellt werden, ob nicht eine längere duale Antiplättchentherapie bei den beschichteten Stents sinnvoll erscheint.

Univ.-Prof. Dr. Thomas Neunteufl, Abt. für Kardiologie, Univ.-Klinik für Innere Medizin II,AKH Wien: Die ESC-Guidelines schlagen bei Patienten mit bekannter KHK bzw. Diabetes eine lebenslange Behandlung mit Aspirin in einer Dosis von 75–150 mg vor. Clopidogrel soll als Alternative zu Aspirin bei Aspirinunverträglichkeit und additiv zu Aspirin (wenn kein erhöhtes Blutungsrisiko vorliegt) nach einem akuten Koronarsyndrom über zwölf Monate, nach Implantation eines BMS über 3–4 Wochen und nach Implantation eines DES über 9–12 Monate gegeben werden. Im Hinblick auf die Verzögerung des arteriellen Heilungsprozesses nach Implantation von DES und der damit einhergehenden Möglichkeit einer sehr späten Stent-Thrombose (> 360 Tage) erscheint es jedoch durchaus sinnvoll zumindest in ausgesuchten Fällen (LM-PCI, Gefäßrekonstruktionen mit langem Stentsegment, Bifurkations-PCI mit zwei Stents, etc.) die Dauer der Kombinationstherapie auf mind. zwei Jahre auszuweiten. Da der exakte Zeitverlauf und die genaue Bedeutung einer vollständigen Heilung nach Implantation eines DES bislang nicht bekannt sind, muss die Dauer einer »Antiplättchenbehandlung« erst noch festgelegt werden.

Univ.-Prof. Dr. Peter Probst, Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie, Wien: Es herrscht allgemeine Übereinkunft, dass nach DES-Implantation etwa ein Jahr lang eine duale Aggregationshemmer-Therapie gegeben werden sollte. Allerdings besteht eine gewisse Variationsbreite je nach Komplexität der Stenose (z.B. kurzer großlumiger Single Stent vs. komplexer Bifurkationseingriff). Diese Empfehlung stellt jedoch einen Kompromiss dar, da auch nach einem Jahr – sehr selten, aber doch – Stentthrombosen bei DES auftreten können.

Was ist die Funktion des Polymers bei beschichteten Stents, was sind die Vor-, bzw. Nachteile?
Prof. Pachinger: Ein beschichteter Stent besteht aus drei Komponenten:
1. Stent
2. Medikament
3. Polymer
Das Polymer hat zwei entscheidende Nachteile: Es vermindert die Flexibilität und Steuerbarkeit des Stents und es könnte durchaus die Ursache für die späteren thrombotischen Ereignisse sein, da es als Substrat für Thrombose und auch andere Phänomene wie hyperergische Reaktionen verantwortlich sein könnte.
Der Vorteil des Polymers ist sicher die Freisetzung des Medikaments in einer steuerbaren und gezielten Form. Die Neuentwicklung der beschichteten Stents wird sicher darin liegen, Designs zu entwickeln, ohne Polymer und mit biodegradierbaren Stentmaterialien.

Prof. Neunteufl: Die DES der ersten Generation bestehen aus einer Edelstahl-Plattform beschichtet mit einem permanenten Polymer, welches eine kontrollierte Abgabe des »anti-Restenose-Medikaments« gewährleisten soll. Das Polymer kann jedoch zu Hypersensitivitätsreaktionen in der Gefäßwand führen, was zumindest in manchen Fällen die Entstehung einer Stent-Thrombose zu begünstigen scheint. Das permanente Polymer wird daher im Rahmen neuer Stent-Konzepte häufig durch biokompatible bzw. bioabsorbierbare Alternativen ersetzt.

Prof. Probst:
Das Polymer ist ein wichtiger Bestandteil des DES, um eine kontrollierte Abgabe des Medikaments zu gewährleisten. Allerdings hat das Polymer selbst eine inflammatorische Wirkung, sodass nach Abgabe des Medikaments Probleme auftreten können. Es gibt daher Bestrebungen, abbaubare Polymere einzusetzen oder ohne Polymer auszukommen. Diesbezüglich bestehen reichlich Forschungsaktivitäten wobei offenbar hydrophile Polymere deutliche Vorteile gegenüber hydrophoben Polymeren haben.

Der Einsatz welcher
Techniken hat nachweislich die Restenose-Rate bei nicht-beschichteten Stents gesenkt und damit den Unterschied zu beschichteten Stents weiter relativiert?

Prof. Pachinger: Aufgrund der derzeitigen Datenlage und einer aktuell laufenden prospektiven randomisierten Studie (Basket Prove) ist es sehr wahrscheinlich, dass bei Gefäßkalibern über 3,0 oder 3,5 mm kein beschichteter Stent einen wirksamen Vorteil gegenüber dem nicht-beschichteten Stent aufweisen wird.
Die Reduktion der Restenoserate durch Stentimplantation wurde in zahlreichen Studien belegt, und ist heute gesichert. Jeder Stent – beschichtet oder nicht-beschichtet – verhindert das Remodelling-Phänomen im Stenosebereich und ist damit der konventionellen Ballondilation überlegen. Dies wurde in zahlreichen angiographischen, aber auch IVUS-Studien klar belegt.

Prof. Neunteufl:
Möglichkeiten, die Restenosehäufigkeit im Rahmen von BMS-Implantationen zu reduzieren, sind vielfältig: Verwendung von Stents mit geringer Stentstrutsdicke und geringer Metalldichte, Verwendung der kürzestmöglichen Stentlänge, Kontrolle der PCI mittels IVUS oder Kontrolle der PCI mittels Pressure wire. Die Frage, inwieweit mit diesen Maßnahmen der Unterschied zu den beschichteten Stents betreffend angiographischer und klinischer Endpunkte relativiert werden kann, muss mit randomisierten Vergleichsstudien beantwortet werden. Zudem haben viele dieser Maßnahmen (IVUS- bzw. PW-kontrollierte PCI) auch das Potenzial, die Ergebnisse von DES-Implantationen weiter zu verbessern.

Prof. Probst:
Die BMS-Technologie ist tatsächlich nicht stehen geblieben. Vor allem wurde durch CoCr bei größerer Flexibilität ohne Verlust der Radiärkraft die Strutdicke reduziert (auf 80–90mm) Es gibt nur wenige direkte Vergleiche von BMS der neuen Generation mit DES der neuen Generation. In der Endeavor-Studie wird der BMS-Driver mit dem DES-Endeavor-Stent verglichen und es zeigt sich ein signifikanter Unterschied zugunsten des DES bei TLR: nach einem Jahr 5,9% vs. 13,1% und nach vier Jahren 7,2 vs. 15,8 bei gleicher Mortalität und Infarktrate. Die viel kleinere Spirit-Studie, bei welcher der DES Xience vs. Vision geprüft wurde, zeigte ebenfalls deutliche Vorteile für den DES, so dass auch bei verbesserter BMS-Technologie dem DES der Vorzug gegeben werden muss.

Wie hoch sind die Restenose- und die Stent-Thrombose-Rate nach ARC-Definition HEUTE bei beschichteten bzw. nicht-beschichteten Stents?
Prof. Pachinger: Mit den neuen nicht-beschichteten Stents konnte in den letzten Jahren die Restenose- und auch die Stent-Thrombose-Rate deutlich reduziert werden. Sie ist nicht mehr in dem Bereich von 20% und mehr anzusetzen, sondern wahrscheinlich im Bereich von < 10%. Beim beschichteten Stent ist die Rezidivrate noch etwas geringer und sicher im einstelligen Prozentbereich, aber definitiv nicht Null und die Stent-Thrombose-Rate ist bei den beschichteten Stents sicher 0,6% im Jahr und dies auch noch nach einem längeren Zeitraum über 2–4 Jahre (Bern-Rotterdam-Studie).

Prof. Neunteufl: Nach ARC (Academic Research Consortium)-Definition liegt die Inzidenz von sicheren und wahrscheinlichen Stent-Thrombosen im Rahmen randomisierter Studien bei 1,5% für Sirolimus beschichtete Stents (SES) und bei 1,8% für Paclitaxel beschichtete Stents (PES). Nichtmedikamenten-beschichtete Stents (BMS) zeigen eine vergleichbare Inzidenz von Stent-Thrombosen (in Studien vs. SES 1,7% und in Studien vs. PES 1,4%), wenn auch mit anderer zeitlicher Verteilung. Die TLR (target-lesion revascularization) während der ersten vier Jahre lag bei 8,4% bei Patienten mit SES und 7,7% bei Patienten mit PES. Patienten mit BMS zeigten eine signifikant höhere TLR (in Studien vs. SES 29,0% und in Studien vs. PES 15,6%) [N Engl J Med 2007; 356:1020–9.].

Prof. Probst: Zwei Tatsachen haben sich nach der ursprünglichen großen Debatte ergeben. Späte Stentthrombosen auch nach einem Jahr (»very late«) kommen vor. Die Mortalität ist aber bei DES-Anwendung nicht erhöht. Offenbar wird das höhere Risiko der Stentthrombose bei DES durch die geringere Restenoserate und den damit verbundenen geringeren Komplikationen aufgewogen. Die höchste Thromboserate besteht in der ersten Zeit nach Implantation. Ab dann wurde in einem Registry eine jährliche Stentthromboserate von 0,6%/Jahr bei DES ermittelt wobei diese Zahl nun über vier Jahre konstant geblieben ist. Bei einer Meta-Analyse der Cypher- und Taxusdaten kam es nach etwa einem Jahr zu einer Separation der DES- und BMS-Kurven mit einer minimalen, jedoch signifikanten Zunahme der Stentthromboserate (ARC: definit und probable) bei DES.

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