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Werkstoffe denken mit

Aus meinem NEWS Archiv:

Auf der Hannover-Messe nächste Woche zeigen Hersteller und Institute neue Materialien. Die Stoffe sind intelligent, extrem leicht und können sich selbst reparieren. Für den Einsatz im Alltag sind sie aber noch zu teuer.

Stark, mitfühlend, belastbar sollen sie sein, außerdem flexibel, verlässlich und sparsam. Dabei geht es nicht um das Anforderungsprofil gesuchter Mitarbeiter, sondern um Materialien, die Techniker auch in Gegenständen des täglichen Gebrauchs einsetzen wollen.

Auf der Hannover-Messe, die nächste Woche beginnt, zeigen die Hersteller solche intelligenten Werkstoffe und neuartigen Oberflächen. Zu den Produkten gehören Brillengläser, die nicht verkratzen, Tachoabdeckungen, die nicht blenden, und sich selbst reparierende Stoffe. Solche Materialien besitzen nicht nur interessante technische Eigenschaften, sie können auch helfen, Produktionskosten zu sparen. Nach Angaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie liegt in Deutschland der Anteil der Materialkosten an der Produktion im verarbeitenden Gewerbe bei mehr als 50 Prozent.

Einen durchsichtigen Kratzschutz zeigt das Fraunhofer-Institut IST am Modell eines Motorrads. Das Tachometer reflektiert kaum noch Licht, der Helm zerkratzt nicht mehr, und Kolben, Kolbenringe sowie Ventile sind von einer Spezialschicht überzogen, die den Verschleiß der Bauteile verringert (siehe Grafik). Wozu die Industrie die neuen Werkstoffe braucht, zeigt auch BayerMaterial-Science mit dem Fahrzeug-Modell „Senso“. Das Cockpit ist mit einer Leuchtfolie überzogen, die einfallendes Licht schluckt und dem Fahrer freie Sicht auf die Instrumente bietet.

Am zweiten Modell „zaZen“ zeigt Bayer eine einteilige, durchsichtige Dachkonstruktion aus dem neuen Werkstoff Makrolon. Das Material verringert das Gewicht des Daches deutlich. Gleichzeitig ist das Dach Projektionsfläche für das dritte Bremslicht. Zwei Laser werfen Licht auf eine holografische Folie, die diese Projektionen dreidimensional darstellen kann.

Neue Werkstoffe finden Forscher vor allem in der Bionik und der Nanotechnologie, in der sich Wissenschaftler mit kleinen Strukturen in der Größe eines Atoms befassen. „Wer die Welt der Winzigkeiten erkennt und sich zu eigen macht, kann Material und Technik revolutionieren“, sagt Jürgen Lexow von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM). Forscher der Technischen Universität Ilmenau zeigen in Hannover einen Nanoklettverschluss, der Kleinstbauteile ohne Klebstoff verbinden kann. Dafür setzen die Techniker winzige Siliziumnadeln ein.

Die Nadeln mit den rauen Seitenwänden sind 300 bis 900 Nanometer dünn und damit 200-mal dünner als ein menschliches Haar. Die Außenwände verhaken sich ineinander. Dauerhaft stabil und verschleißsicher müssen auch Transportbänder sein. Technische Gewebe, zum Beispiel in der Papier- und Vliesstoffindustrie, werden täglich sehr schwer belastet. „Wir arbeiten daran, Kunststoffe wie Polyamide verschleißfester zu machen“, sagt Ralph Römer, Manager bei der Technikfirma Nanocompound.

Außer in der Nanotechnologie finden Forscher viele Anreize für neue Stoffe in der Natur. Daher ist Bionik ein Schwerpunkt auf der Hannover-Messe. Vorbilder aus der Botanik haben zum Beispiel Wissenschaftler des Instituts für Textil- und Verfahrenstechnik (ITV) aus Denkendorf und der Plant Biomechanics Group aus Freiburg genommen, um ihren „technischen Pflanzenhalm“ zu entwickeln. Dieser bionische Faserverbund ist sehr leicht und dämpft Schwingungen. Werden die Halme miteinander verknüpft, können Techniker daraus zum Beispiel Flugzeuge, Raumgleiter und Autos bauen, bei denen es auf geringes Gewicht ankommt.

Künftige Werkstoffe sind nicht nur besonders haltbar und leicht, sie können sich auch selbst reparieren. Das Vorbild dafür stammt wiederum aus der Natur. Im Laufe ihrer 3,8 Milliarden Jahre dauernden Entwicklung haben Pflanzen und Tiere die Fähigkeit entwickelt, ihre Wunden schnell zu versiegeln. Diese Selbstreparatur fand in der Technik bisher kaum Anwendungen.

Die Plant Biomechanics Group aber hat mit den Schweizer Kollegen des Empa Dübendorf und der Firma prospective concepts eine sich selbst reparierende Membran produziert. Die Firma Airlight entwickelte daraus zum Beispiel Parkhausdecken und Fußgängerbrücken. Da sich die Membran nach Beschädigungen durch Stöße und Wettereinflüsse wieder automatisch schließt, können diese Tragwerke deutlich weniger als herkömmliche Brücken wiegen.

15. April 2007

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